- EuGH Urt. v. 26.03.2020 – Az.: C-66/19
- Vorlagebeschluss LG Saarbrücken v. 17.01.2019 – Az.: 1 O 164/19
- OLG Stuttgart Beschluss v. 04.02.2019 – Az.: 6 U 88/18
- BGH Beschlüsse v. 04.02.2020 – Az.: XI ZR 175/19; 02.04.2019 – Az.: XI ZR 488/17 und 19.03.2019 – Az.: XI ZR 44/18
- OLG Brandenburg Urt. v. 03.04.2019 – Az.: 4 U 99/18
Vorabhinweis:
Nachdem der EuGH auf die Vorlage des LG Saarbrücken die Widerrufsinformation nach dem Muster der Anlage 6 zur Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der ab dem 11.06.2010 geltenden Fassung als nicht Unionskonform bewertet hat, führt das nicht automatisch dazu, dass nun noch alle erklärten Widerrufe von Verbraucherdarlehensverträgen im Ergebnis als wirksam von den Gerichten eingestuft werden, nur weil nach dem Urteil des EuGH ein Verstoß gegen die Richtlinie 2008/48/EG vorliegt. So hat das OLG Stuttgart sich in dem unter Ziff. 3 aufgeführten Beschluss gegen die Annahme einer Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung in der streitigen Fassung ausgesprochen, es sieht auch keinen Verstoß gegen die Verbraucherkreditlinie, da diese nicht die Wiedergabe sämtlicher Pflichtangaben in der Widerrufsinformation erfordere. Insbesondere verweist das OLG Stuttgart auf den Willen des Gesetzgebers, der mit Regelung zum Fristbeginn in Anlage 6 EGBGB a.F. zum Ausdruck gekommen ist, eine Nichtbeachtung durch die Rechtsprechung einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bedeuten würde – Gewaltenteilung.
Genauso hat sich der Bundesgerichtshof in seinen unter Ziff. 4 zitierten Beschlüssen, mit explizierter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des LG Saarbrücken zum EuGH, geäußert,
die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision des Revisionsführers zurückgewiesen bzw. einen Antrag aus Aussetzung des Verfahrens. Auch der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass der Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG offenkundig und ohne, dass für vernünftige Zweifel Raum bliebe, dass in der Widerrufsinformation bei der Umschreibung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht sämtliche 16 17 – 9 – Informationen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG aufgelistet sein müssen (BGH, Beschl. V. 02.04.2019 – Az.: XI ZR 488/17 – RN 17 – Juris). Der BGH hält im Ergebnis den Kaskadenverweis für unschädlich. Wie der Rechtsstreit vor dem LG Saarbrücken (Az.: 1 O 164/18) ausgeht, bleibt abzuwarten, insbesondere eine eventuelle Entscheidung in der Berufungsinstanz. Wie der XI. Senat des BGH in der Sache entscheiden würde, ergibt sich aus den zitierten Beschlüssen. Links zu den Beschlüssen des BGH:
XI ZR 488/17 (dort RN 17)
XI ZR 44/18 (dort RN 17)
XI ZR 175/19 (Zurückweisung eines Antrags auf Aussetzung des Verfahrens wg. Vorlage an EuGH
Auch wenn ich persönlich die streitige Widerrufsinformation in der Tat nicht für klar und prägnant im Sinne der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG) halte, zumindest nicht für Laien bzw. Verbraucher, so halte ich es dennoch für geboten, auf die vorstehend wiedergegebenen, von der Auffassung des LG Saarbrücken und der Auffassung des EuGH, abweichende Auffassung anderer Oberlandesgerichte und vor allen Dingen der des BGH hinzuweisen, da ein ggf. zu erklärender Widerruf und ein auf diesen folgender Rechtsstreit ein erhebliches finanzielles Risikos darstellen kann, sofern nicht ausreichend eigene Liquidität bzw. keine zum Eintritt verpflichtete Rechtsschutzversicherung an der Seite des Verbrauchers steht . Denn durch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ist zwar der EuGH ermächtigt, Auslegungsregeln für gesetzliche Vorschriften vorzugeben, die das Unionsrecht berühren, da aber eine Auslegung contra legem im nationalen Recht zu Gunsten des Unionrechts nicht möglich ist, ist es ausgeschlossen, dass die Formulierungen im gesetzlichen Belehrungsmuster nach Anlage 6 EGBGB a.F. gegen das Gesetz verstoßen, so dass auch eine Änderung der BGH-Rechtsprechung in dieser hier behandelten Frage nicht zu erwarten ist. Auf die Möglichkeit des Einwands der Verwirkung Widerrufsrechts ist ebenfalls der Vollständigkeit halber hinzuweisen.
1.
Der EuGH hält die Widerrufsinformation nach dem Muster der Anlage 6 zur Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der ab dem 11.06.2010 geltenden Fassung als nicht Unionskonform, weil gegen die Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG) verstoßend. Das deshalb, weil der in dem Muster nach der Anlage 6 EGBGB a.F. enthaltende Kaskadenverweis – eine Vorschrift verweist auf eine andere Vorschrift, diese auf die Nächste etc. – gegen die Vorgabe der Richtlinie in Art. 10 („Zwingende Angaben in Kreditverträgen“) verstoße, der diesbezüglich lautet: „Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben:…“. Es folgen Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, die Frist und die anderen Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts und die Folgen dessen. Link zum Urteil des EuGH:
2.
Das LG Saarbrücken hatte seinen Vorlagebeschluss aufgrund des Kaskadenverweises an den EuGH gerichtet, das die Widerrufsinformation deshalb nicht für klar, prägnant und präzise hält:
Der Kaskadenverweis:
Für die Entscheidung sind die Vorschriften des BGB und des EGBGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung maßgebend (Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB).
2.1
Nach § 495 Abs. 1 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung (a. F.) steht dem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Nach § 495 Abs. 2 Nr. 2 b) BGB a. F. beginnt die Widerrufsfrist abweichend von § 355 Abs. 2 BGB in der vom 11.06.2010 bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung ( a. F.) nicht zu laufen, bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat.
2.2
Nach § 492 Abs. 2 BGB in der vom 30.07.2010 bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung ( a. F.) muss der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) enthalten.
2.3
Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB (a. F.) regelt, welche Angaben der Verbraucherdarlehensvertrag enthalten muss. Welche weiteren Angaben verpflichtend im Vertrag enthalten sein müssen, regeln Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 u. 2, § 7, § 8 Abs. 2 (für Verträge mit Zusatzleistungen), § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (für verbundene Verträge und entgeltliche Finanzierungshilfen) und § 13 Abs. 1 (bei Beteiligung eines Darlehensvermittlers) EGBGB (a. F.).
2.4
Art. 247 § 9 EGBGB in der vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung (a. F.) sieht bei Verbraucherdarlehensverträgen im Sinne des § 503 BGB vor, dass in der vorvertraglichen Information, im Verbraucherdarlehensvertrag abweichend vor den §§ 3 bis 8, 12 u. 13 EGBGB a. F. (lediglich) die Angaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie nach § 3 Abs. 4 und nach § 8 EGBGB a. F. zwingend sind (Abs. 1 Satz 1) und der Vertrag ferner die Angaben zum Widerrufsrecht nach § 6 Abs. 2 EGBGB enthalten muss (Abs. 1 Satz 3).
2.5
In § 503 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 (a. F.) werden Immobiliardarlehensverträge beschrieben bzw. definiert als Verträge, bei denen die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge und deren Zwischenfinanzierung üblich sind.
3.
Das OLG Stuttgart ist der Auffassung des LG Saarbrücken entgegengetreten und verfolgt die Linie des BGH.
4.
BGH – vgl. oben.
5.
Brandenburgisches Oberlandesgericht – siehe oben – wie BGH.