OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 08.11.2019 – 22 U 16/19
In seiner Entscheidung stellt das OLG Frankfurt a.M. klar, dass im Deliktsrecht, auch weiterhin, entgegen einer zum Werkvertragsrecht ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2018, Schadensersatz bei Verkehrsunfällen fiktiv – auf Gutachtenbasis bzw. Kostenvoranschlag – geltend gemacht und abgerechnet werden kann.
Das OLG hat seine Entscheidung im Wesentlichen – daneben auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum allgemeinen Schadensersatzrecht – auf den Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, der zentralen Norm im allgemeinen Schadensersatzrecht, gestützt, nach der der Geschädigte bei der „Verletzung einer Person oder bei der Beschädigung einer Sache statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen“ kann. Weiter hat das OLG zur Begründung ausgeführt, dass bei Verzicht auf die Durchführung der Reparatur, ein entsprechender Wertverlust am Fahrzeug verbleibt.
Zu der Entscheidung war es nach Klageabweisung in Bezug auf die fiktive Schadensberechnung in der ersten Instanz durch das LG (Darmstadt Urt. v. 23.11.2018 – 2 O 471/16) gekommen,
mit welcher das LG, der Auffassung beklagten Haftpflichtversicherung folgend, die neuere, zum Werkvertragsrecht ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17) zur Abkehr der fiktiven Schadensberechnung des Bestellers im Werkvertragsrecht, rechtsfortbildend anwenden wollte.
Das OLG hat neben dem eindeutigen Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz BGB seine Begründung auch darauf gestützt, dass es im deliktischen Schadensersatzrecht – anders als im Vertragsrecht – an einem gestörten Austauschverhältnis („Du gibst mir damit ich Dir gebe“), wie das typischer Weise bei gegenseitigen Verträgen der Fall ist, fehlt. Weiter stützt das OLG seine Entscheidung zutreffend auf die in § 249 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende Motivation des Gesetzgebers, die fiktive Schadensabrechnung im allgemeinen Schadensrecht gerade zuzulassen, denn gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB kann der Geschädigte die Umsatzsteuer nur verlangen, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Die Entscheidung ist im Ergebnis zu begrüßen, da diese im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetztes (§ 249 Abs. 2 BGB) steht und der daher unnötigen und unzulässigen, dem Gesetzeswortlaut und Willen des Gesetzgebers zu wider laufenden, Rechtsfortbildung, den Boden entzieht. Allerdings wird es sicher noch einige Entscheidungen von Instanzgerichten geben, die eine fiktive Schadensberechnung im allgemeinen Schadensrecht versagen werden, bis irgendwann der Bundesgerichtshof damit befasst wird.