BGH, Urt. v. 21.02.2017 – Az.: XI ZR 467/15 – Quelle: Pressemitteilung Nr.: 020/2017 v. 21.02.2017
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute darüber entschieden, ob eine Klage zulässig ist, mit der die Feststellung begehrt wird, dass ein Verbraucherdarlehensvertrag aufgrund des Widerrufs der auf seinen Abschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers rückabzuwickeln ist.
Sachverhalt:
Die Parteien schlossen im Juni und November 2007 im Wege des Fernabsatzes zwei – überwiegend noch valutierende – Verbraucherdarlehensverträge über 70.000 € und 10.000 €. Die Beklagte belehrte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht jeweils unter anderem wie folgt:
„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. per Brief, Telefax oder E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag[,] nachdem Ihnen
-ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung,
-eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Darlehensantrages, jeweils einschließlich der Allgemeinen Darlehensbedingungen,
– die Informationen, zu denen die […] [Beklagte] nach den Vorschriften über Fernabsatzverträge (§ 312c Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1 BGB InfoV) verpflichtet ist,
zur Verfügung gestellt wurden, nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages.
Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs“.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 widerrief die Klägerin ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.
Prozessverlauf:
Ihre Klage auf Feststellung, sie habe die Darlehensverträge „wirksam widerrufen“ und es bestünden „keine Zahlungsverpflichtungen aus diesen Darlehensverträgen“, auf Erteilung einer „löschungsfähige[n] Quittung“ für eine der Beklagten gestellte Grundschuld und auf Zahlung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der sie zuletzt nur noch ihre Feststellungs- und Zahlungsklage weiterverfolgt hat, hat das Oberlandesgericht, das die Klägerin zu einer entsprechenden Änderung ihres Feststellungsbegehrens veranlasst hat, dahin erkannt, es werde festgestellt, dass aufgrund des Widerrufs die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse „umgewandelt“ worden seien. Weiter hat es die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verurteilt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Auf die von ihm zugelassene Revision der Beklagten hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch Versäumnisurteil vom heutigen Tag das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben.
Soweit die Revision das Zahlungsbegehren zum Gegenstand hatte, hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Sache selbst erkannt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Leistungsanspruch zusteht.
Im Übrigen hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen leitend:
Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert am Vorrang der Leistungsklage. Das Begehren, die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis feststellen zu lassen, deckt sich in Fällen wie dem vorliegenden, dem kein verbundener Vertrag zugrunde liegt, wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, die die Klägerin beziffern kann. Ihr ist deshalb eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar. Eine Leistungsklage erschöpft das Rechtsschutzziel. Da die Parteien auch über die Höhe der Ansprüche streiten, war die Feststellungsklage nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil die Beklagte als Bank die Erwartung rechtfertigte, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs konnte auf die Revision der Beklagten die Feststellungsklage allerdings nicht ohne weiteres als unzulässig abweisen, weil der Klägerin Gelegenheit gegeben werden muss, von der Feststellungs- zur Leistungsklage überzugehen. Das Begehren der Klägerin könnte, was von den weiteren Feststellungen des Oberlandesgerichts abhängt, auch noch in der Sache Erfolg haben.
Zwar hat die Beklagte die Klägerin richtig über ihr Widerrufsrecht belehrt. Der Verweis auf die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften umschrieb hinreichend deutlich die Voraussetzungen, von denen das Anlaufen der Widerrufsfrist abhängig war. Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt, wenn der Gesetzestext – wie hier das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung – für jedermann ohne weiteres zugänglich ist, keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot dar, sondern dient im Gegenteil der Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit der Belehrung. Der Zusatz, die Frist beginne nicht „vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages“, war auch im Verein mit der Einleitung „Die Frist beginnt einen Tag[,] nachdem …“ nicht irreführend. Er orientierte sich vielmehr am Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und war damit hinreichend bestimmt. Auch im Übrigen hielt die Widerrufsbelehrung einer Überprüfung durch den XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs stand.
Mangels tragfähiger Feststellungen des Oberlandesgerichts dazu, die Beklagte habe die nach dem Gesetz erforderlichen Informationen tatsächlich erteilt, steht indessen noch nicht fest, dass die Widerrufsfrist an- und abgelaufen und damit der im Juli 2014 erklärte Widerruf der Klägerin ins Leere gegangen ist, so dass Ansprüche der Klägerin aus einem Rückgewährschuldverhältnis nicht bestehen. Das Oberlandesgericht wird nach Zurückverweisung der Sache diese Feststellungen nachzuholen haben.