BGH, Urt. v. 06.10.2022 – Az.: VII ZR 895/21
Der Bundegerichtshof hat entschieden, dass im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine E-Mail grundsätzlich zu dem Zeitpunkt zugegangen ist, zu dem diese innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Für den Zugang ist dagegen nicht erforderlich, dass die E-Mail tatsächlich vom Empfänger abgerufen und zur Kenntnis genommen wird. Zum Sachverhalt und Verfahrensgang:
Streitig war restlicher Werklohn. Die Klägerin bezifferte durch Ihren anwaltlichen Vertreter in einer E-Mail vom 14.12.2018 um 09:19 Uhr die (Restwerklohn-) Forderung mit 14.347,23 € und außergerichtliche Anwaltskosten als Verzugsschaden, verbunden mit der Erklärung, weitere Forderungen bestünden nicht bzw. würden nicht erhoben. Um 09:56 Uhr, desselben Tages, sandten die Klägervertreter eine E-Mail mit der Erklärung, dass eine abschließende Prüfung der Forderungshöhe durch die Klägerin noch nicht erfolgt sei, die E-Mail von 09:19 Uhr daher unberücksichtigt bleiben müsse. Am 17.12.2018 legte die Klägerin eine Schlussrechnung mit einer um rund 7.000,00 EUR höheren Restforderung vor, als in der ersten E-Mail vom 14.12.2018. Die Beklagte überwies am 21.12.2018 die 14.347,23 € und 1.029,35 € Anwaltskosten gemäß der Forderungsbezifferung in der ersten E-Mail und hielt die Klägerin an der Erklärung und Bezifferung von 09:19 Uhr fest und hatte damit in allen Instanzen Erfolg. Das Landgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und das Kammergericht die Berufung der Kläger zurückgewiesen, aber die Revision zugelassen. Der Bundesgerichtshof hat die vorangehenden Urteile I. und II. Instanz bestätigt und die Revision als unbegründet zurückgewiesen, da die Klägervertreter mit der ersten E-Mail um 09:19 Uhr ein Vergleichsangebot unterbreitet hätten, das von der Beklagten mit Zahlung der geltend gemachten Forderung innerhalb der üblichen Frist von 2 Wochen nach § 147 Abs. 2 BGB angenommen und der Vergleich gemäß § 779 BGB zustande gekommen sei. Ein Widderruf des Angebots durch die zweite E-Mail von 09:59 Uhr war nicht anzunehmen.
Urteil des VII. Zivilsenats vom 6.10.2022 – VII ZR 895/21 – (bundesgerichtshof.de)