Gesellschafterrechte der Erben eines GmbH-Gesellschafters abhängig von Eintragung in Gesellschafterliste – §§ 16 Abs. 1 S. 1, 40 GmbHG – Hier: Beschwerdebefugnis gegen Anordnung Notgeschäftsführung

Kammergericht, Beschluss v. 23.11.2022 – Az.: 22 W 50/22

Auch Erben eines GmbH-Gesellschafters können Gesellschafterrechte erst dann ausüben, wenn sie in die Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG aufgenommen worden sind. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt daher auch für einen Nachlasspfleger, der für unbekannte Erben eines Gesellschafters vom Nachlassgericht bestellt ist. Das gilt auch

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Zugangszeitpunkt einer E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr

BGH, Urt. v. 06.10.2022 – Az.: VII ZR 895/21

Der Bundegerichtshof hat entschieden, dass im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine E-Mail grundsätzlich zu dem Zeitpunkt zugegangen ist, zu dem diese innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Für den Zugang ist dagegen nicht erforderlich, dass die E-Mail tatsächlich vom Empfänger abgerufen und zur Kenntnis genommen wird. Zum Sachverhalt und Verfahrensgang:

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Unwirksame Kürzung von Handelsvertreterprovision bei Kreditkartenzahlung der Kunden in AGB

OLG München Urt. v. 16.12.2021 – Az.: 23 U 1704/20

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von einem Kraftstoffunternehmen gegenüber einem Tankstellenpächter, der für das Unternehmen als Handelsvertreter tätig ist, gestellte Klausel, durch die dem Pächter bei Kartenzahlungen von Kunden eine Disagiolast auferlegt wird und die der Unternehmer dem Pächter von der Provision abzieht, ist unwirksam. Denn ist die Disasgiolast prozentual an den getätigten Umsatz pro 100 Liter Kraftstoff und damit an den Kraftstoffpreis pro Liter gekoppelt, dagegen die dem Pächter zustehende Provision umsatzunabhängig allein von der verkauften Kraftstoffmenge abhängig, kann das bei mit der Zeit steigenden Kraftstoffpreisen eine große Reduzierung der an den Pächter auszuzahlenden Provision, die sogar auf Null oder sogar unter Null gehen kann, zur Folge haben. „Unwirksame Kürzung von Handelsvertreterprovision bei Kreditkartenzahlung der Kunden in AGB“ weiterlesen

Entgeltliche Nutzungsüberlassung – Anforderung für steuerliche Anerkennung – Hier kein Vorsteuerabzug

BFH, Beschluss v. 22.06.2022 – XI R 35/19 – UStG § 2 Abs 1, UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 1, EGRL 112/2006 Art 9, FGO § 126a, UStG VZ 2015

Im Streit war, ob die Klägerin, eine Gemeinde, im Jahr 2015 (Streitjahr) zum Vorsteuerabzug, im Zusammenhang mit einem von ihr verpachteten Schwimmbad, berechtigt ist. Die Klägerin verpachtete das Schwimmbad an einen eingetragenen Verein für 1,00 € und verpflichtete sich in dem Betriebspachtvertrag zur Zahlung eines Zuschusses an den Verein in Höhe von jährlich 75.000 €, der der Förderung des Vereins im öffentlichen Interesse dienen und keinen Gegenwert für eine umsatzsteuerbare Leistung darstellen sollte. Laut der Präambel dieses Vertrags war die angespannte Haushaltssituation der Klägerin Grund für den Vertragsabschluss. Zudem hatte die Kommunalaufsichtsbehörde der Klägerin vorgegeben, dass die kommunale Unterdeckung des Bäderbetriebs künftig einen Betrag von 75.000 € jährlich nicht überschreiten dürfe.

Da die Klägerin im Jahr 2015 erwog, das Schwimmbad zu sanieren, führten Vertreter der Klägerin am 29.05.2015 ein Gespräch mit Vertretern des Beklagten (Finanzamt) über die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aus in diesem Zusammenhang zu erwartenden Eingangsleistungen. Das FA vertrat in dieser Besprechung die Auffassung, dass die

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Britische Limited nach BREXIT beteiligtenfähig in finanzgerichtlichem Verfahren

BFH, Beschluss v. 13.10.2021 – Az.: I B 31/21

Auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist eine britische Limited als Körperschaftsteuersubjekt zu qualifizieren, mit der Folge, dass die britische Limited mit Verwaltungssitz im Inland fähig ist, Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens zu sein. Denn es ist zu unterscheiden zwischen den zivilrechtlichen Folgen (Verlust der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit ) und der Qualifizierung als Körperschaftsteuersubjekt und Beteiligtenfähigkeit in finanzgerichtlichen Verfahren.

Sachverhalt:

„Unternehmensgegenstand der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer britischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Limited, ist … Alleiniger Anteilseigner und „managing director“ ist M. In dessen inländischer Wohnung befand sich auch die Geschäftsleitung der Klägerin.

Die Klägerin schloss mit M im April 2006 eine in englischer Sprache abgefasste Vereinbarung, wonach die Klägerin dem M für dessen geplantes Studium … eine finanzielle Unterstützung gewährt. Die Ausgaben für das Studium und die Reisekosten von geschätzt … US-Dollar sollten von der Klägerin getragen beziehungsweise von dieser erstattet werden, „when and as far this is possible“, so der Vertragstext.

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Zinssatz für Steuernachzahlungen + Erstattungen von monatlich 0,5 % (6% jährlich) verfassungswidrig

BVerfG, Beschlüsse v. 08.07.2021 – Az.: !BvR 2237/14 + 1 BvR 2422/17 – Pressemitteilung v. Nr. 77/2021 v. 18.08.2021

In seinen zwei Beschlüssen vom 08.07.2021 folgt das Bundesverfassungsgericht den Klägern, nach deren Auffassung der gesetzliche Zinssatz gemäß § 238 Abs. 1 AO für Steuernachzahlungen, der auch für Steuererstattungen zugunsten der Steuerpflichtigen gilt, im Vergleich mit dem sehr viel niedrigeren marktüblichen Zinssatz für Geldanlagen, außerordentlich stark überhöht sei.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter ist der monatliche Zinssatz von 0,5 % (bzw. jährlich 6 %) ab dem Jahr 2014 für Verzinsungszeiträume, beginnend ab dem 01.01.2014, für alle Steuerarten als nicht mehr erforderlich und als gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßend und damit verfassungswidrig. Die Verzinsung von Steuernachforderungen nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten stellt eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, dar. Der gesetzliche Zinssatz von 6 % Jährlich, aufgrund des sich nach Ausbruch der Finanzkriese entwickelten Niedrigzinsniveaus, ist für Verzinsungszeiträume ab 2014 evident realitätsfern und entfaltet eine überschießende Wirkung.

Hinweis: Bedauerlicherweise hat das Bundesverfassungsgericht die bisher geltende gesetzliche Regelung bis einschließlich 2018 für weiter anwendbar erklärt, so dass der hohe Zinssatz für alle Verzinsungszeiträume bis einschließlich 31.12.2018 Gültigkeit hat. Erst ab dem 01.01.2019 darf das Finanzamt den Zinssatz von monatlich 0,5 % der Festsetzung nicht mehr zu Grunde legen und muss die Zinsen rückwirkend ab 2019 neu berechnen. Das gilt ebenso für Fälle der Steuererstattungen. Steuerbescheide, die in Bezug auf die Zinsfestsetzung einen Vorläufigkeitsvermerk enthalten, werden automatisch geändert. Das wird aber erst dann erfolgen, wenn der Gesetzgeber innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist – 31.07.2022 – eine verfassungsgemäße Neureglung getroffen hat. Einen konkreten Zinssatz hat das Gericht dabei nicht vorgegeben.

Link zur Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-077.html

Aktien – Verluste infolge der insolvenzbedingten Wertlosigkeit von Aktien – Veranlagungszeiträume 2009 bis einschließlich 2019 – BFH schließt Regelungslücke

BFH, Urt. v. 17.11.2020 – Az.: VIII R 20/18 – BFH- Pressemitteilung v. 11.03.2021

Mit am 11.03.2021 veröffentlichtem Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH), aufgrund einer für den betroffenen Veranlagungszeitraum bestehenden Regelungslücke definiert, ab und zu welchem Zeitpunkt aufgrund der Insolvenz einer Aktiengesellschaft (AG) entstehende Verluste steuerbar sind und deshalb – einem Veräußerungsverlust entsprechend – zu berücksichtigen sind. Das ist laut BFH der Fall, wenn die inländische AG infolge einer Insolvenz aufgelöst, abgewickelt und im Handelsregister gelöscht wird und der Aktionär seine Einlage nicht oder nur teilweise zurückerhält. Das gilt auch dann, wenn diese Aktien bereits zeitlich vor der Löschung der AG im Register von der depoführenden Bank aus dem Depot ausgebucht wird.

Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionskläger hatte im Jahr 2009 Aktien an einer börsennotierten inländischen AG erworben, die in einem Depot verwahrt wurden. Der Kläger war an der AG zu weniger als 1% beteiligt. Die Aktien waren Bestandteil seines steuerlichen Privatvermögens. Über das Vermögen der AG wurde im Jahr 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. „Aktien – Verluste infolge der insolvenzbedingten Wertlosigkeit von Aktien – Veranlagungszeiträume 2009 bis einschließlich 2019 – BFH schließt Regelungslücke“ weiterlesen

Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht weiterhin möglich – Hier: Immobilienkaufvertrag

BGH, Urteil v. 12.03.2021 – Az.: V ZR 33/19  – Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 54/2021

Der Bundesgerichtshof hält mit dieser Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung zum Immobilienkaufvertrag und Mängelbeseitigungsanspruch fest: Dem Käufer einer Immobilie ist es auch weiterhin möglich, seinen kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Mängeln der erworbenen Immobilie anhand der voraussichtlich entstehenden, aber bisher noch nicht aufgewendeten – fiktiven – Mängelbeseitigungskosten zu berechnen.

Sachverhalt:

Die Kläger erwarben von dem Beklagten im Jahr 2014 eine Eigentumswohnung zum Preis von 79.800 € „Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht weiterhin möglich – Hier: Immobilienkaufvertrag“ weiterlesen

Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses durch zum Beschlusszeitpunkt nicht mehr in Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter

BGH, Urt. v. 26.01.2021 – Az.: II ZR 391/18

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses durch einen, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung, nicht mehr als Inhaber eines GmbH-Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragenen GmbH-Gesellschafters, nicht möglich. Dem stehe die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegen. Nach dieser Vorschrift gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Falle von Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung nur als Inhaber eines Geschäftsanteils, wer als Gesellschafter in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG eingetragen ist.

Fehlt einem klagenden GmbH-Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis, weil er nicht als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragen ist, hat das zur Folge, dass diesem nicht eingetragenen Gesellschafter auch die materielle Berechtigung zur Geltendmachung von Klagen, die auf positive Beschlussfeststellung gerichtet sind, fehlt.

Weiter führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Anfechtung, nach auf GmbH-Beschlüsse entsprechend anwendbarem § 244 S. 1 AktG, nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn der anfechtbare Gesellschafterbeschluss durch die GmbH-Gesellschafterversammlung mittels eines neuen Beschlusses bestätigt worden ist und dieser neue Gesellschafterbeschluss nicht fristgemäß angefochten oder die Anfechtung durch rechtskräftige Entscheidung zurückgewiesen worden ist.

Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht – Hier: Immobilienkaufvertrag

BGH, Vorlagebeschluss v. 13.03.2020 – Az.: V ZR 33/19
 
 
Beschluss des BGH:
Der V. Zivilsenat des BGH will von einer Entscheidung des VII. Zivilsenats abweichen (Divergenz), da der VII. Senat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – Az.: VII ZR 46/17 – RN 31) die Auffassung vertreten hat, nach der der „kleine“ Schadensersatz statt der Leistung nicht mehr anhand der voraussichtlichen, aber noch nicht aufgewendeten – fiktiven –  Kosten der Mängelbeseitigung berechnet werden darf (1. Frage). Die 2. Frage richtet sich ebenfalls an den VII. Senat und betrifft dessen Auffassung, nach der sich ein Schadensersatzanspruch im allgemeinen Leistungsstörungsrecht auf Vorfinanzierung „in Form der vorherigen Zahlung eines Zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags“ richten kann (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – Az.: VII ZR 46/17 – RN 67).
 
Sachverhalt:
 
Die Kläger erwarben von dem Beklagten im Jahr 2014 eine Eigentumswohnung zum
Preis von 79.800 €
 

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